Papiermühlen auf die Liste des UNESCO-Welterbes
Die Ära der Papiermühlen setzte in Europa im 13. Jh. ein. In einem Zeitraum von mehr als 500 Jahren entstanden mehrere tausend Produktionsstätten, in denen Papier per Hand hergestellt wurde. Obwohl noch im 20. Jh. einige wenige Papiermühlen in Betrieb waren und ein paar von ihnen bis heute überdauern konnten, muss hingenommen werden, dass die traditionelle Papierherstellung, die sich auf einfache, wasserbetriebene Vorrichtungen und das Schöpfen von Papier auf der Basis von Papiermasse auf Sieben stützt, im 19. Jh. von Fabriken mit modernen Maschinen zur Papierherstellung verdrängt worden ist.
Bis heute haben nicht ganz 30 ehemalige Papiermühlen, Zeugen der althergebrachten Technologie der Papierherstellung, die Stürme der Zeiten überdauert. Unter den noch bestehenden Objekten ist die Papiermühle in Duszniki-Zdrój (Polen) eines der interessantesten, beherbergt es doch seit 50 Jahren das Museum zur Papierherstellung. Das Museum in Duszniki ist bestrebt, den Antrag auf Eintragung einiger der wertvollsten historischen Papiermühlen in die Liste des UNESCO-Welterbes vorzubereiten. Zur Zeit gibt es drei Museen zur Papierherstellung, die zusammenarbeiten: Duszniki-Zdrój in Polen, Velke Losiny in der Tschechischen Republik und Homburg am Main in Deutschland.
Duszniki-Zdrój (Polen)
Die Anfänge der Papierherstellung in Duszniki lassen sich bis in den Zeitraum vor 1562 zurückdatieren. Im Jahr 1601 zerstörte ein Hochwasser einen Teil der Mühle. Der damalige Besitzer, Gregor Kretschmer, ließ diese wieder aufbauen und nahm im Jahr 1605 die Papierherstellung wieder auf. Ihre glanzvollsten Zeiten erlebte die Papiermühle im 17. und 18. Jh. Es waren die Papierfabrikanten aus Duszniki, die seinerzeit durch den Verkauf von Papier zu beträchtlichem Reichtum gelangten, die Produktion modernisierten und die Fabrik verzierten, wodurch diese zu einer der schönsten Industrieanlagen Europas wurde. Dekorationen in Form von Rosetten und Halbrosetten über den Fenstern von Westen und Norden her sowie Dachabdeckungen in Form von Voluten, welche die Räume zum Trocknen vor heftigem Regen schützen, sind Elemente, die in keiner anderen Papierfabrik zu finden sind. Ähnlich ungewöhnlich sind die Wandmalereien in den Wohnräumen der einstigen Papiermacher.
Das fünfstöckige Mühlengebäude und der sechsgeschossige Papiertrockenraum zählten im 18. Jahrhundert zu den höchsten Gebäuden in Duszniki. Die Funktion der einzelnen Räume war charakteristisch für zahlreiche Papierfabriken (Papierherstellung und -verarbeitung unten, Trocknen oben auf den Dachböden).
Im 19. Jh. geriet die Papiermühle infolge der Entwicklung maschinenbasierter Herstellungsverfahren für Papier allmählich in den Strudel des Untergangs. Um die Firma zu retten ließ der damalige Besitzer, Karl Wiehr, in dem Gebäude eine Maschine zur Kartonherstellung installieren, allerdings verschlechterte sich Wiehrs wirtschaftliche Lage während der Weltwirtschaftskrise, so dass die Produktion eingestellt werden musste. Im Jahr 1939 wurde das Papierwerk an die Stadt verkauft, wobei man bereits damals mit dem Gedanken spielte, hier ein Museum einzurichten.
Im Jahr 1945 wurde die heruntergekommene Mühle vom polnischen Staat übernommen. In den 1960er-Jahren begannen die Renovierungsarbeiten, 1968 wurde das Papiermuseum eröffnet. 1971 wurde dann die Herstellung von Papier anhand der althergebrachten Schöpftechnik wieder aufgenommen. Das Museum Duszniki ist der größte Hersteller handgeschöpften Papiers in Polen und das landesweit einzige Unternehmen, das Schöpfsiebe, mit denen Papier mit Wasserzeichen geschöpft werden kann, selbst entwirft und anfertigt.
Im Jahr 2011 wurde der Mühle der Status eines historischen Monuments zuerkannt, was die Aufnahme in die Liste des UNESCO-Welterbes ermöglichte.
Velke Losiny (Tschechische Republik)
Die Papiermühle in Velke Losiny entstand in den Jahren 1591-1596. Seine heutige Gestalt nahm das Gebäude am Übergang vom 18. zum 19. Jh. an. Trotz der erheblichen Konkurrenz seitens modern ausgestatteter Papierfabriken konnte die Mühle in Losiny die Papierherstellung auch im 19. Jh. nach traditionellen Techniken weiterführen. Ein Grund hierfür war, dass geschöpftes Papier zur Herstellung von Filtern für den Bedarf verschiedener Industriezweige benötigt wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Papiermühle verstaatlicht und man richtete dort museale Ausstellungsräume ein. Seit 2006 gehört die Mühle zu einer Aktiengesellschaft.
Im Jahr 2002 wurde die Papiermühle von der Regierung der Tschechischen Republik zum Nationalen Kulturdenkmal erklärt. Aufgenommen wurde sie auch in die Tentativliste der UNESCO, was den Weg zur Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes eröffnete.
Die Papiermühle in Velke Losiny bildet ein Komplex in gutem Zustand erhaltener gemauerter Gebäude mit Schindeldächern. Ähnlich wie in Duszniki dienten die unteren Räume der Vorbereitung der Rohstoffe, dem Abschöpfen und der Bearbeitung von Papier. Der mehrstöckige Speicher diente zur Trocknung von Papier.
Der Museumsbereich informiert über die Geschichte der Papierherstellung und die Traditionen des Papierschöpfens in Velké Losiny. Ein weiteres Element der Tour ist ein Besuch im Schöpfraum, wo handgemachtes Papier hergestellt wird. Die Papierfabrik in Velké Losiny ist einer der größten Hersteller handgemachten Papiers in Europa.
Homburg (Deutschland)
Die Papierfabrik in Homburg stammt aus dem Jahr 1807. und liegt am Main, im Bundesland Bayern. An ihren jetzigen Standort wurde die Mühle aus Windheim verlegt – Stückchen für Stückchen. Die Papiermühle in Windheim stammt aus dem 17. Jh. Im 19. Jh. wurde dort eine kleine Maschine zur Herstellung von Karton installiert.
Das Gebäude besaß eine Funktionsaufteilung, so wie diese andere Papiermühlen auch aufwiesen: in den unteren Stockwerken fand die Herstellung statt, in den oberen wurde das Papier getrocknet. Das Wasserrad und andere Geräte aus der alten Mühle sowie die Kartonmaschine aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind bis heute erhalten geblieben.
Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten wurden 1997 das Papiermuseum und die dazugehörige Werkstatt eröffnet. Die Institution wird von einem Nachkommen der ehemaligen Besitzer der Papierfabrik, Johannes Follmer, geleitet, und vom Main-Spessart-Kreis finanziert.
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Unsere Bestreben ist es, für diese Zusammenarbeit mehrere Papierfabriken aus anderen europäischen Ländern zu gewinnen, die sich durch einen außergewöhnlichen Wert auszeichnen. Ziel des Projekts ist es, einen Antrag auf Aufnahme in die UNESCO-Liste für etwa 5 – 8 historische Papierfabriken vorzubereiten, da diese Zeugen manueller Technikern der Papierherstellung sind.
Im Jahr 2018 war die Moulin à papier Richard de Bas in Ambert, Frankreich, auch an einer Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts zur Aufnahme der wertvollsten europäischen Papierfabriken interessiert.